Als Expertin für Employer Branding habe ich im neuen Whitepaper des bvik – Der Industrie-Verband für Kommunikation und Marketing – ein Interview gegeben, in dem ich die Bedeutung einer starken Arbeitgebermarke für den Recruiting-Erfolg in B2B (Business-to-Busines)-Unternehmen sowie aktuelle Trends beleuchte. Einen Auszug aus dem Interview gibt es hier.

Frau Leutenecker, was sind aktuell die größten Herausforderungen für B2B-Unternehmen im Bereich Recruiting?
Unternehmen sind konfrontiert mit unterschiedlichen Entwicklungen. Da ist zum einen der demografische Wandel, der den Fachkräftemangel weiter verstärkt. Zum anderen sehen wir einen starken Wertewandel getrieben durch die Generation Z (geboren zwischen 1997 – 2012). Diese Generation stellt andere Ansprüche an Arbeitgeber, zum Beispiel verstärkt im Hinblick auf Vereinbarkeit und persönliche Weiterentwicklung. Sie hinterfragt auch mehr den Daseinszweck (=Purpose) potenzieller Arbeitgeber.
Zudem wollen Fachkräfte immer seltener Führungskräfte werden. Das heißt: Das klassische Leistungsversprechen „höher, schneller, weiter“ passt nicht mehr zu den Vorstellungen der jungen Generation. Eine weitere Herausforderung kommt speziell bei B2B-Unternehmen hinzu: Sie sind in der breiten Öffentlichkeit meist wenig bekannt, gleichzeitig sind unter ihnen aber oft gute Arbeitgeber. Sie müssen stärke für sich werben.
Sie nennen eine identitätsbasierte Arbeitgebermarke als Ausgangspunkt für alle HR-Maßnahmen. Was genau verstehen Sie darunter?
Um die genannten Herausforderungen zu bewältigen, spielt eine starke Arbeitgebermarke eine wichtige Rolle. Identitätsbasiert heißt, dass diese aus der Unternehmensmarke heraus entwickelt wird und aus den Eigenschaften und Werten, die das Unternehmen ausmachen. Sie darf keinesfalls nur Projektionsfläche der Wünsche von Jobsuchenden sein. Sonst kommt es zu Enttäuschungen und Fluktuation, wenn neue Mitarbeitende feststellen, dass die Außendarstellung mit der Realität nichts zu tun hat.
Beim Employer Branding gilt es daher, die aktuelle Unternehmenskultur glaubwürdig nach außen zu tragen. Gleichzeitig ist aber auch der Blick in die Zukunft wichtig: Was benötigen Mitarbeitende künftig und wie wollen wir uns darauf einstellen, um langfristig Arbeitskräfte zu gewinnen und zu halten?
Für erfolgreiches Employer Branding müssen HR und Marketing im Unternehmen eng zusammenarbeiten. Was sind aus Ihrer Sicht dabei die größten Hürden?
Die Arbeitgebermarke ist Bestandteil der gesamten Markenarchitektur. Das Verständnis für diese Vernetzung fehlt zum Teil bei Personalverantwortlichen. Andererseits haben wir es im Employer Branding mit anderen Kommunikationsanlässen und Zielgruppen als im Marketing zu tun; Der Bereich deckt den kompletten Lebenszyklus ab – von der Mitarbeitendengewinnung bis zum Ausscheiden aus dem Unternehmen. Das erfordert ein anderes Vorgehen, andere Botschaften und eine andere Tonalität, wo Marketingteams oft noch die Erfahrung fehlt. Hinzu kommt, dass sich in vielen Unternehmen auch keiner für das Thema zuständig fühlt. Fehlende Strukturen und Silodenken sind nach meiner Erfahrung der häufigste Grund fürs Scheitern. Wichtig ist daher, aufeinander zuzugehen, Felder klar abzustecken und sich gegenseitig zu unterstützen
Welche Tipps haben Sie für Unternehmen, damit die Vernetzung gelingt? Wie müssen sich die Teams aufstellen, welche Prozesse braucht es?
Wichtig für erfolgreiches Employer Branding sind klare Verantwortlichkeiten. HR und Marketing müssen zusammenarbeiten, aber jedes Team hat auch eigene Zuständigkeiten. Diese sollten klar festgelegt sein. Wo Employer Branding verankert ist, spielt dabei keine Rolle. Unternehmen, die sich erstmals mit dem Thema beschäftigen, empfehle ich meist, mit einem Projektteam zu starten, in dem Mitarbeitende aus Marketing, Presse, IT und unterschiedlichen HR-Funktionen zusammenkommen und das von einer projektverantwortlichen Person geleitet wird. Bei Unternehmen mit höherem Reifegrad sind klare Strukturen unverzichtbar, damit Silos tatsächlich nachhaltig überwunden werden. Jährliche Kick-offs, wöchentliche Redaktionsmeetings oder auch ein digital gestützter Content-Hub sind hier gute Ansätze, die sich in der Praxis bewährt haben.
Was sind die Trends im Personalmarketing für 2023?
Schauen wir uns zunächst die Trends bei den Inhalten an, bei dem was Unternehmen potenziellen Mitarbeitenden anbieten. Hier bleibt „New Work“ auch 2023 das zentrale Thema. Gemeint ist damit eine Arbeitsplatzgestaltung, die den Bedürfnissen von Bewerber:innen gerecht wird.
Das geht weit über Homeoffice hinaus und umfasst beispielsweise Job Sharing, Sabbaticals und ähnliches. Angesichts des Fachkräftemangels wird eine mitarbeitendenzentrierte Arbeitsplatzgestaltung für Unternehmen zunehmend zum Wettbewerbsvorteil. Ähnlich ist es beim „Purpose“. Bewerber:innen wollen für Unternehmen arbeiten, die einen Beitrag zur Gesellschaft leisten. Deshalb ist es wichtig, dass sich Unternehmen mit dem Sinn ihres Daseins und ihren Werten auseinandersetzen und diese auch kommunizieren.
Wie sieht es mit Kommunikationskanälen und Instrumenten aus? Welche Trends müssen Unternehmen hier für 2023 auf dem Schirm
haben?
Die Verlagerung ins Digitale wird sich fortsetzen: Job-Messen spielen eine immer geringere Rolle, Social Media boomt dagegen. Neben den Business-Netzwerken werden vor allem Instagram und TikTok stärker genutzt. Für Unternehmen ist es wichtig, hier strategisch vorzugehen und auch die Mitarbeitenden als Markenbotschafter:innen einzubinden. Ungenutztes Potenzial sehe ich noch in der Verzahnung von Personalmarketing mit klassischer Pressearbeit: B2B-Unternehmen könnten in der Fachpresse zeigen, wer die Menschen hinter den Produkten sind und neben Produktnews auch Botschaften der Employer Value Proposition kommunizieren.
Im Rahmen der bvik-Kompetenzwerkstatt gebe ich regelmäßig eine umfassende Weiterbildung zur Employer-Branding-Strategie.
Das gesamte Whitepaper mit Interview finden Sie hier.